FREIES MUSEUM BERLIN

EXTREME CRAFTS

 Ausstellung: 4. – 31. August 2012 

Yvette Brackman (US/DK), Ingrid Book & Carina Hedén (SE/NO) Kristinn G. Harðarson (IS), Geir Tore Holm (NO), Suwan Laimanee (TH), Charlotte Nilsen/ Feil Farge Produksjoner (NO), Ulrike Solbrig (DE), Åsa Sonjasdotter (SE/NO), Field Work/ Nis Rømer & Lise Skou (DK), YNKB in Kooperation mit Anja Franke/ InstantHERLEV institute (DK), Elke Mohr & Ingeborg Lockemann (DE) mit Cüneyt Varol (TR), Schmuck2 e. V. mit der Abteilung Schmuck 'Het Sieraad' der Gerrit Rietveld Academie Amsterdam (DE/NL): Dovile Bernadisiute, Mio Fujimaki, Tamara Vierbergen, Jing He, Garam Jung, Laura Klinkenberg, Karoline Kvist, Giedre Lisauskaite, Veselina Popova, Bregje Sliepenbeck, Misato Unno and Eline Willemarck

Kuratoren: Ulrike Solbrig, Jole Wilcke, Hilde Methi

 

info@extremecrafts.de, www.freiesmuseum.com, www.extremecrafts.de


Die Ausstellung EXTREME CRAFTS bringt internationale zeitgenössische Ansätze zusammen, die sich der ethischen und ästhetischen Dimension von Handwerk und seiner Bedeutung als Idee in der Kunst widmen, „um eine produktive Verwirrung innerhalb der üblichen Hierarchiendes kulturellen Prestiges zu stiften“ (Thomas Crow).

Handwerk ist eine der Kategorien, die gerne bemüht wird, um die Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst zu ziehen. In der kulturellen Werteskala nimmt Handwerk gemeinhin einen niedrigeren Rang als Kunst ein. Die Moderne begrüßte die industrielle Fertigung als Befreiung von monotoner handwerklicher Tätigkeit. Im aktuellen Diskurs wird die handwerkliche Tätigkeit als nachhaltiger und selbstbewusster Produktionsansatz aufgegriffen bei dem „Kopf und Hand“ zusammen arbeiten – eine Idealvorstellung, die erweitert aufgefasst und kritisch hinterfragt werden wird.

Die Ausstellung versammelt bereits existierende Arbeiten sowie Neuproduktionen von lokalen und internationalen Künstlern_innen, die das Prinzip Handwerk seit längerem nutzen, um gesellschaftliche Themen zu untersuchen, für die sie sich sozial und politisch engagieren. Künstler_innen agieren als Beobachter, Mediatoren, Handwerker, Do-It-Yourself Aktivisten, Entdecker und Dokumentaristen. Handwerk wird als Tradition, als Art der Betrachtung, als Werkzeug oder als eine Strategie gesehen, die Gesellschaft zu erforschen.

Das norwegische Künstlerduo Ingrid Book & Carina Hedén nähert sich der Realität mit Hilfe von Dokumentation, und wirft politische und ethische Fragen auf. Die Fotoserie Soldiers UXO-Clearance, 1-7 (2005) zeigt Soldaten bei ihrer Arbeit, die ein militärisches Übungs -gelände in Norwegen von Munition räumen. Während die Protagonisten auf den Fotografien bemüht sind natürlich zu wirken, verstärken Book & Hedén die Künstlichkeit, indem sie Anleihen beim Pathos und der Abbildungsmacht des Realismus des 19. Jahrhunderts nehmen. In ihrer aktuellen Fotoserie Produced Landscapes 1 – 45" (2009 – 2012) zeigen sie u.a. Ansichten der aus dem Fels gesprengten Teilstrecken des neuen Autobahnabschnitts zwischen Norwegen und Schweden. Diese Aufnahmen wurden aus dem fahrenden Auto heraus aufgenommen und manifestieren die Begegnung zwischen langsamen geologischen Prozessen und flüchtiger Wahrnehmung.

Im Rahmen des Tivoli Re-design (2009-) lässt Charlotte Nielsen aus gebrauchten oder überschüssigen Kleidern neue / traditionelle Sami Kostüme entstehen. Mit einem Schnittmuster als DIY-kit zum Selbernähen widersteht die Künstlerin den Anforderungen traditioneller Volkskleidung, indem sie die Regeln „Wer was tragen darf?“ außer Kraft setzt. Der thailändische Künstler Suwan Laimanee hat die Thai Massage, zu seiner Kunst erklärt. Vom

13. – 17. August lädt er ein, dieses traditionelle Handwerk im Workshop Become a Thai Masseur Within a Week (1996-) von ihm zu erlernen. Das dänische Künstlerkollektiv YNKB öffnet seine Reparaturwerkstatt Reparation Repair (2007-) für alle Dinge, die einer Reparatur bedürfen. Berliner Künstler_innen und Interessierte mit speziellen Fähigkeiten sind eingeladen, vorbeizukommen und kreative Lösungen zu finden. In Kooperation mit YNKB wird Anja Franke mit ihrer Waste Service Tea Bar (2012-) Tee servieren und einen Recycling-Porzellan­


Workshop für aussortiertes Geschirr durchführen. Das Geschirr kann mitgebracht werden, umvor Ort mit speziellen Entsorgungsmustern bemalt und so recycelt zu werden.

Yvette Brackman arbeitet mit russischen Sami Handwerkern aus Lujavri zusammen, die ihre Schuhe aus dem Leder ihrer Rentierherden nach traditionellen Methoden fertigen. Aus dieser Zusammenarbeit ging LUJA hervor – ein Unternehmen das als Skulptur funktioniert und das ein Modell vom Vertrieb und der Produktion der LUJA Handwerksgegenstände ist. In einer weiteren skulpturalen Arbeit, Artikel 6 (2011), untersucht sie die Bedeutung der Textilien im Canandaigua Abkommen von 1784, das zwischen der US Regierung und dem Bündnis derIrokesen geschlossen wurde, und wie sich diese Beziehung heutzutage darstellt. Der Film The right to the land and the water von Geir Tore Holm greift zurück auf Interviews mit Leuten die vom Finnmark Gesetz betroffen sind „nachdem die Sami gemeinschaftlich und individuell Recht auf Land erworben haben“. Die unterschiedlichen Standpunkte werden von einem Mann, der zum Holzfällen unterwegs ist, vorgetragen. Traditionelles Wissen trifft auf formalisierte Meinungen. Åsa Sonjasdotter wird mit freundlichen Unterstützung des Künstlers Nicolas Woche Überlegungen zu Politics in Breeding/ Breeding in Politics beitragen sowie eine aktuelle Installation ihres Prinzessinnengärten Potato Breeding Project (2011-) zeigen. Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Gärtner Matze Wilkens und vielen Freiwilligen in Kreuzberg durchgeführt. Während Ulrike Solbrig in Zusammenarbeit mit Niels Rieckert vom Allmende Kontor einen Gemeinschaftsgarten im Hof des Freien Museums zusammen mit interessierten Gärtnern angelegt hat, erlauben uns Field Works mit ihrem Sciene Fiction Video KRYSTALLERNES HÆVN [The Revenge of the Crystals] (2012) kritische Einblicke in den Alltag eines Gemeinschaftsgartens in einer post-revolutionären, post-kapitalistischen Zukunft. Elke Mohr & Ingeborg Lockemann laden Cüneyt Varol ein, der eigentlich lieber in einer Gärtnerei gearbeitet hätte, die Schiffsmodelle zu zeigen, die er im Rahmen einer Maßnahme des Arbeitsamtes aus überschüssigem Material nach eigenen Vorstellungen gebaut hat. Ähnlich spielerisch geht Kristinn G. Harðarson in seiner Arbeit around (1996) vor, in der er einfache Alltagsmomente auf Miniaturbühnen nachspielt und somit, indem er das Kinderspiel in die Erwachsenenwelt transformiert, die Aufmerksamkeit auf das Handwerk des Spielens lenkt.

Seit 1997 versteht sich der Verein SCHMUCK2, der Künstlerin Susan Pietzsch, aus Mecklenburg Vorpommern, als Schnittstelle zwischen Kunst und angewandter Kunst mit demSchwerpunkt Schmuck. SCHMUCK2 wird die Ergebnisse des Workshops "CARversation" mit Studenten der Schmuckklasse 'Het Sieraad' der Gerrit Rietveld Academie Amsterdam präsentieren, in dem die Studenten über einen längeren Zeitraum die bizarren Verbindungen zwischen Autos, Schmuck und menschlicher Natur untersucht haben.

Partner: Das Sami Artfestival (2008-11), Sami Künstlergewerkschaft, Prinzessinnengärten

Die Ausstellung wurde unterstützt von: Königlich Norwegische Botschaft Berlin, Office for Contemporary Art Norway, Arts Council Norway, Troms fylkeskommune, University of Tromsø, Norsk Fotografisk Fond, Bergen kommune, The Danish National Arts Council, SCHMUCK2, Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis.